Strandgänger

Obwohl er langsam geht, beginnt die Lunge wieder zu pfeifen. Der Wind zerrt am Schirm. Er stellt den Koffer ab und schaut nach oben. Wolken stürmen am Himmel entlang. ‚Ich würde gern eine Wolke sein.', denkt er: In der Gestalt eines Adlers über die Erde hinweg gleiten, mich in Regen auflösen und in den Boden eingehen.’

Dominik Rollak

Dominik Rollak setzt sich an den Küchentisch seiner modernisierten Altbauwohnung, in der linken Hand eine Tasse Kaffee, in der Rechten das Manuskript seines neuen Romans. Sein erstes Buch „Das Vergessen des Gestirns“ war vor drei Jahren veröffentlicht worden, zwei Jahre später folgte die Kurzgeschichtensammlung „Ratten gehen niemals unter“, mit dem er sich erstmals im Feuilleton einen Namen machen konnte. Vorbei die Zeiten, als er sein Gehalt in der Buchhaltungsabteilung eines großen Nudelherstellers verdiente, nach Feierabend bis drei Uhr morgens am Küchentisch saß und völlig übermüdet an seinem ersten Manuskript, einem bizarren Mutter-Tochter Beziehungsdrama schrieb. 

Manchmal fällt das Marmeladenbrot auch auf die trockene Seite

Ich schaue mich um. Es ist immer noch niemand zu sehen, und es ist kein Geräusch eines näher kommenden Autos zu hören. Nur die Blätter rauschen und ein paar Raaben sitzen krächzend in den Bäumen. Ich werfe den Zigarettenrest auf den Boden und zünde mir eine Neue an. Meine Hände zittern. Ich hätte jetzt gerne ein Bier.

Heute ist mein Tag

Als der Wecker um sieben Uhr klingelt, springt er aus dem Bett und geht unter die Dusche. Er seift sich die Haare mit Shampoo ein und denkt über seinen letzten Traum nach. Er fuhr mit einem Fahrrad über einen Feldweg durch eine sonnige Frühlingslandschaft. Ein guter Traum. Besser als der, den er hatte, als er kurz nach vier Uhr schreiend aufwachte. Seine Ex-Frau hatte versucht, ihn in der Badewanne zu ertränken. Seltsamerweise konnte er unter Wasser atmen und sich befreien, indem er ihr einen Schlag gegen die Kehle verpasste.

I. Tequila

Die Party geht ihren maßvollen geregelten Gang. Marion sitzt mit einem Grüppchen in der neu eingerichteten Stube: Parkettfussboden, alle Möbel aus Naturholz, Grünzeug in jeder Ecke. Manchmal komme ich mir hier richtig fehl am Platze vor, wie ein schräger Ton bei Kaufhausmusik oder wie ein Furz in der Stille eines Gottesdienstes.

II. Alles im grünen Bereich (von Denise Sommer)

Ich hatte zum Abendbrot Rührei gehabt. Das sah man noch, als es mir halbverdaut vor die Füße klatschte und nebst dem Straßenpflaster auch den Laternenpfahl, an dem ich mich festhielt und meine Schuhe traf. Dass mich der Alkohol noch mal so tief sinken lassen würde! Nicht, dass ich nicht vorher schon gekotzt gehabt hätte nach halb durchzechten Nächten, nicht, dass ich es nicht schon vorher mal nicht mehr zur nächsten Toilette geschafft hätte... aber eine Straßenlaterne im Friedrichshain, nachdem Kalle gerade noch das Auto hatte stoppen können - das war die ultimative Krönung.

III. Klassentreffen

Ich habe noch nichts bestellt und wippe nervös auf meinem Stuhl hin und her, vor und zurück, vor und zurück, ungefähr zweimal pro Sekunde, also einhundertzwanzig Mal in der Minute. So ungefähr jedenfalls. Genau mitzählen tue ich natürlich nicht, das wäre ja verrückt. Ich schaukele vor und zurück, schaue auf den Tisch und warte. Warte, obwohl fast alle schon da sind - zum zweiten Klassentreffen seitdem uns die Schule ausgeworfen hat.