Strandgänger

Heute morgen schien für ein paar Stunden die Sonne und glitzerte wie flüssiges Gold in den Pfützen auf den Bürgersteigen. Als der alte Mann langsam die Stufen des Busses hinuntersteigt, fängt es jedoch wieder zu nieseln an.
„Soll ich ihnen ein Taxi rufen?“, fragt der Busfahrer, als er ihm den braunen Lederkoffer auf den Gehweg stellt.
„Danke, aber zu meinem Hotel ist es nicht weit.“
Der Fahrer macht die Gepäckklappen des Busses zu.
„Wenn sie trotzdem Hilfe brauchen, da drüben ist die Touristeninformation. Dort können sie sich ein Taxi rufen lassen.“
Der Bus fädelt sich in den Nachmittagsverkehr ein. Der alte Mann geht unter das Dach der Bushaltestelle und öffnet den Koffer. Er zieht den Schirm heraus und klappt ihn auf.
‚Wäre doch gelacht, wenn ich die paar Meter zum Hotel nicht mehr selber laufen könnte.’
Obwohl er langsam geht, beginnt die Lunge wieder zu pfeifen. Der Wind zerrt am Schirm. Er stellt den Koffer ab und schaut nach oben. Wolken stürmen am Himmel entlang. ‚Ich würde gern eine Wolke sein. In der Gestalt eines Adlers über die Erde hinweg gleiten, mich in Regen auflösen und in den Boden eingehen.’


Er kriecht gerade aus dem Nebel des Säuglingsalters heraus. Er fährt mit seinen Geschwistern auf einem Schlitten einen steilen Abhang hinunter. Der Windzug ist kalt und schneidend, so dass er kaum Luft bekommt und ihm die Tränen aus den Augen laufen. Er hat Angst und gleichzeitig nimmt er mit heißer Aufregung jede Kleinigkeit in sich auf: Das dunkle Holz des Schlittens, den Schnee, der nie wieder im Leben so weiß sein wird und das Geräusch des Windes in den Ohren.


Im Hotel angekommen checkt er ein. Zimmer 308 mit der Aussicht auf den Parkplatz und das kleine Waldstück, das zwischen Hotel und Strand liegt. Er zieht die Gardinen beiseite, öffnet das Fenster, legt sich auf das Doppelbett und wartet, bis sich sein Atem wieder beruhigt. Dann packt er den Koffer aus. Als er fertig ist, schiebt er einen Sessel ans Fenster.


Vater ist aus dem Krieg zurück. Die Familie wohnt in einem kleinen Haus mit Garten am Rande einer Kleinstadt. Im Wald haben sie Kaninchenfallen aufgebaut, gut versteckt, dass der Förster sie nicht entdeckt. Eines Tages sitzt ein Karnickel mit angelegten Ohren in der Grube. Er hält den Sack offen, während Vater es an den Ohren nimmt und hineinsteckt. Später in der Dämmerung sieht er, wie der Vater dem Karnickel auf dem Holzblock hinterm Haus den Kopf abschlägt. Er sieht, wie dem Hasen von der Wucht des Beiles ein Augapfel aus dem Kopf fliegt. Er riecht den metallisch-süßlichen Geruch des Blutes, denkt an das Fleisch und ist trotzdem traurig, dass der Hase sterben musste.


Der Wind rauscht in den Bäumen vor seinem Fenster, ein Hund bellt, jemand spielt Gitarre. Irene und er haben hier oft schweigend zusammen gesessen. Was hat sie in diesen Augenblicken wohl gedacht hat? Dieses Jahr hätte er es fast nicht hierher geschafft. Vor vier Wochen lag er plötzlich im Flur seiner Wohnung, hatte kaum Luft bekommen und gedacht: ‚Das Letzte, was ich sehen werde, sind die kleinen Risse in der Decke.’ Seine Tochter stand in der Wohnungstür und wollte gerade gehen. Wäre sie zwei Minuten früher gegangen, hätte sie nicht sofort einen Arzt rufen können, und er wäre auf dem Flurteppich erstickt. So musste er nur zwei Wochen ins Krankenhaus und ab jetzt dreimal täglich blutverdünnende Tabletten einnehmen. ‚Letztendlich unterscheiden wir uns doch nicht von Blumen.’, denkt er: ‚Irgendwann saugen die Wurzeln weniger Wasser aus dem Boden, und die Blätter werden braun. Ob eine Blume auch eine Seele hat? Stirbt sie sofort, wenn sie abgeschnitten wird? Fährt die Seele gleich heraus oder weicht sie langsam, so wie die Luft aus einem alten Luftballon? So wie bei mir.’ Er schaut auf seine Uhr. Abendbrotzeit.


„Ich halte es nicht mehr aus.“, heult Mutter in der Küche. Ein schwarzer Topf liegt auf dem Küchenboden, Kartoffeln kullern umher. „Holt euren verdammten Vater aus der Wirtschaft! Sagt ihm, wenn er nicht nach Hause kommt, verrammle ich die Tür und lasse ihn nicht mehr rein!“
Er geht mit seinen älteren Brüdern in die Stadt. In der verrauchten Kneipe sitzt Vater mit anderen Männern um einen Tisch. Der Raum ist voller Gelächter und Gläserklirren. Fritz und er bleiben Hand in Hand an der Tür stehen, während Paul zum Vater geht.
„Nun bleib doch noch! Lass dir doch nicht alles von deiner Frau vorschreiben!“, rufen die Männer am Tisch, als der Vater aufsteht. Auf dem Rückweg streicht er ihnen über die Haare und erzählt Geschichten aus dem Krieg. Verzückt lauscht er dem bärtigen nach Alkohol riechenden Vater. Zu Hause schickt Mutter ihn und seine Brüder ins Bett. Atemlos lauschen sie in der Dunkelheit dem Geschrei in der nebenan liegenden Stube.
„Ich bin doch nur da, um dir dein Essen zu machen und mit dir ins Bett zu gehen!“
„Du vergisst dich, verdammtes Weib!“
Er kneift die Augen zusammen, hält sich die Ohren zu und wünscht sich, schnell einschlafen zu können.


Er schält die Schale des Apfels und teilt ihn in kleine Stücke. Während er sie langsam zerkaut, schaut er sich um. Der Speisesaal hat sich am wenigsten verändert. Die Tapete ist neu und die Stühle und Tische sind ausgetauscht worden, aber der Parkettboden war schon vor 30 Jahren da und der Durchgang zur Küche ist immer noch an der selben Stelle. Die Zimmer wurden mehr verändert. Neuer Teppichbelag, neue Möbel, Telefon, Fernseher. Das Bad ist mit neu gefliest und die Wasserhähne sind jetzt aus Metall statt aus Plastik.


Sommer. Die Hitze liegt wie eine Wolldecke über dem Land. Irene und er sind mit dem Fahrrad unterwegs. Ein Gewitter zieht auf. Der Farbe des Himmel wechselt innerhalb kurzer Zeit von Blau zu Gelb zu Grau zu Schwarz. Wind fegt die drückende Schwüle der vergangenen Wochen weg. Der Himmel entlädt sich, Regen prasselt auf den Boden, und die Erde öffnet sich, um das Wasser aufzunehmen. Durchnässt halten sie an einem Waldstück an und stellen die Räder an einen Baum. Es blitzt und kracht ununterbrochen. Irene rennt in den Wald. Ihren Namen rufend läuft er ihr hinterher. Sie zieht ihre Bluse aus und tanzt lachend zwischen den Bäumen umher. Er sieht die weißen Zähne in ihrem geöffneten Mund, wie die Regentropfen ihren braunen Bubischnitthaarschopf herunterlaufen, sieht ihren Baumwollbüstenhalter. Er bleibt stehen, schaut ihrem Indianertanz zu und beginnt dann auch zu lachen und zu tanzen. Er tanzt und lacht seine Angst einfach weg. Dann ist sie bei ihm und sie küssen sich so hart, dass er ihre Zähne auf seinen spürt.


Zurück im Zimmer ruft er seine Tochter an. Alles in Ordnung mit mir. Wetter wird morgen vielleicht besser. Pass gut auf dich auf. Gruß an Bernd und die Kinder. Er hört das Knacken in der Leitung und blickt auf den Hörer in seiner Hand. Zuhause klingelt das Telefon nur noch selten. Meistens ist es die Tochter, die sich nach ihm erkundigt, selten der Sohn, noch seltener die Enkel, bei denen er immer eine leichte Verlegenheit in den Stimmen spürt. Er spürt ihre Unsicherheit, über was sollen wir uns mit dir unterhalten Opa, wir haben unser eigenes Leben, unsere eigenen Sorgen, davon wollen wir dir nichts erzählen, können es nicht, weil wir es nie gemacht haben. Er legt den Hörer auf und schlurft ins Bad.


Ein nebliger Aprilvormittag, irgendwo in Griechenland. Ein neuer Einsatz. Er liebt den Augenblick, wenn sich das Flugzeug vom Boden löst und er sich von einem Menschen in einen Vogel verwandelt, den Sturz in die Tiefe, das in den Ohren rauschende Blut, das sirenenartige Kreischen, wenn er im Sturzflug dem Boden entgegenrast, das Gefühl der Befreiung, wenn er die Maschine wieder hochzieht und den Adrenalinrausch, der erst Stunden nach dem Einsatz abklingt. Heute fliegen die Maschinen so nah nebeneinander, dass er die Tragflächen seiner Nebenmänner sieht. Die Wolkendecke lockert auf, unten schimmert es blau, Wasser. Sie sind in Zielnähe, aber wie genau? Es ist kaum etwas zu sehen, die Wolkenlöcher sind winzig. Plötzlich sieht er in einem schmalen Wolkenloch ein großes Schiff.


Er liegt im Bett und wartet auf den Schlaf. Die Stille ist das, was ihn am meisten nach ihrem Tod zusetzt. Keine schlurfenden Schritte, keine klappernden Kaffeetassen, kein „Ich mache Mittag“, keine Geräusche von der anderen Seite des Bettes. Stille ist auf Dauer zermürbend wie Rost, der sich langsam und stetig durch den dicksten Stahlträger frisst. Nach einer Weile haben sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Er erkennt die Konturen des Schrankes, des Tisches, der Jacke über dem Stuhl, die er morgen anziehen wird. Die Alarmanlage eines Autos beginnt zu piepen. Er überlegt, ob er aufstehen und ans Fenster gehen soll, doch in diesem Augenblick geht sie wieder aus. Er denkt an morgen, er denkt an den Strand und an das Meer, an die Kinder und Enkel, an die leer stehende Wohnung. Vier oder fünf Stunden Schlaf - dann wird er morgen ausgeruht sein. Er wird das Meer sehen, er wird seinen Spaziergang machen. Alles wird in Ordnung sein.


„König eins von König zwei - bitte kommen!“
„König zwei von König eins - bitte kommen!“
„Achtung, ich sehe ein großes Schiff unter uns...vermutlich das Schlachtschiff.“
Noch während er spricht, drückt er nach unten. Keine Zeit für Nervosität oder Angst. Die gegnerische Flak beginnt zu schießen, als er die untere Wolkendecke erreicht hat. Die Bomben seines Vordermannes fallen dicht am Schiff vorbei. Er drückt auf den Auslöseknopf. Zeit zum Schauen hat er nicht. Die Flak bellt hinter ihm. Plötzlich ein Krachen. Die Maschine ist getroffen und verliert Benzin. Schnell. Zu Schnell. Er fliegt den Startflughafen an, doch während des Landeanflugs fallen die Propeller aus. Er spürt keine Angst, sondern nur heitere Gelassenheit. Während er versucht, die Maschine im Gleichgewicht zu halten, nimmt er jede Einzelheit wahr, sieht sogar die Staubkörnchen auf den Armaturen des Cockpits. Er gönnt sich noch einen Blick nach draußen, dann setzt die Maschine kurz vor der Landebahn auf, dreht sich ein paar mal, überschlägt sich und geht in Flammen auf.


Beim ersten Anzeichen des Sonnenaufgangs steht er auf und zieht sich an. Als er den
sandigen leicht ansteigenden Weg zum Strand hinaufgeht und auf der Dünenspitze stehen bleibt, steigt die Sonne gerade aus dem Meer. ‚Das Meer wird immer da sein.’, denkt er: ‚Mit seinem Rauschen, dem Sand, und den kleinen Spinnen, die nach ihrer eigenen inneren Melodie darüber laufen und nach Nahrung suchen.’ Langsam zieht er Schuhe und Strümpfe aus, geht bis an die Wasserlinie und beginnt den leeren Strand in Richtung der aufgehenden Sonne entlang zu gehen.


Irgendjemand zieht ihn aus dem Cockpit. Während er auf eine Bahre gelegt wird, bekommt er immer weniger Luft. Er denkt, er stirbt, denkt an Irene, an Eltern und Geschwister und an den schönen blauen Himmel Griechenlands. Sein Bewusstsein taucht auf dem Weg zum Krankenhaus auf und ab, es ist wie beim Schwimmen, mal hat er den Kopf über, mal unter Wasser. Gebrochene Zeit. Irgend jemand hält ihm die Hand. Ein Mann sagt „Es ist soweit.“ Schwarz.


Ein älteres Ehepaar mit einem Hund kommt ihm entgegen. Er hebt die Hand. Sie grüßen zurück und bleiben stehen. Er will nicht unfreundlich sein und unterhält sich mit ihnen über das Wetter. Der Hund schnüffelt an seiner Hose und wendet sich ab.


Es dauert eine Weile, bis er begreift, dass er am Leben ist, dass er da ist und dass er er ist. In der Zeit nach der Operation ist er noch ein paar
mal vor dem Sprung ins Nichts. Die graue Gestalt lauert, ist manchmal ganz nah am Bett, manchmal am Ende des Saales. Er beobachtet sie mit Gleichgültigkeit. ‚Natürlich hast du keine Sense.’, denkt er, schläft ein und träumt den schönsten Traum seines Lebens, er steht in einer Stadt an einem Fluss und der Fluss ist klar, und die Sonne spiegelt sich darin, und gleich wird er etwas Wunderbares essen, und alles wird perfekt sein. Alles.


Der Sand gibt leicht unter seinen Füßen nach. Zweiundachtzig Schritte zwischen den einzelnen Bohlen sind es. Manchmal sind es achtzig oder dreiundachtzig, aber meistens zweiundachtzig. Er überlegt, ob er zurückgehen soll, um die Tabletten einzustecken. Er bleibt stehen und schaut zurück, schaut auf die Holzmolen, die aus dem Wasser herausragen, auf zwei umhertollende Kinder mit ihren kleinen Schaufeln und Wassereimern, auf ein Federball spielendes Pärchen. Dann geht er weiter.


Das Weiterleben kostet einen Lungenflügel. Er wird entlassen und kehrt nach Hause zurück. Er geht bei einem Uhrmacher in die Lehre und lernt Uhren und Nähmaschinen reparieren. Kurt und Heidi kommen zur Welt. Dann kommen die Bomben und der Hass zurück. Der Gegner verwandelt die Heimatstadt mit Brand- und Phosphorbomben in ein Flammenmeer. ‚Demoralisierung der Bevölkerung durch Angriffe auf zivile Ziele’ denken sich die Feldherren beider Seiten. Was bleibt, sind zerfetzte, verstümmelte, verkohlte Körper, schreiende Lumpenbündel auf den Armen ihrer Mütter, alte Ehepaare, die ihre restliche Habe in Bollerwägen hinter sich herziehen. Er steht mit Irene, den Kindern und den Eltern am Straßenrand und blickt auf die Stadt. Das Feuer schlägt so hoch, dass es aussieht, als wenn sogar der Himmel brennen würde.


Er hört seinen leicht rasselnden Atem und konzentriert sich auf seine Füße. Nach einer Weile treten alle ihn umgebenden Geräusche in den Hintergrund. Er wartet. Wartet, dass es losgeht.


Die Jahre danach sind Hunger und Arbeit. Die Kinder werden erwachsen, irgendwann wird es besser, fließendes Wasser, die Toilette nicht mehr auf halber Treppe, Fleisch jeden Tag. Ein Arzt rät ihm, wegen der Luft an die See zu fahren. Von da an fährt er zweimal im Jahr hierher. „Die Luft tut dir gut, du lebst hier so richtig auf.“, sagt Irene und drückt sich an ihn. Sie gehen oft spazieren, hier an diesem Strand, und das sind die Momente, an die er sich besonders gern erinnert, in denen sie Zeit für sich haben und sich an die Tage erinnern, die sie miteinander verbrachten und an die Tage denken, die sie noch zusammen verbringen werden.


Die Lunge saugt immer weniger Sauerstoff ins Blut. Es ist, als er wenn er Baumwolle einatmen würde. Egal. Er hat nur eine einzige Angst. Dass irgend jemand auf ihn zukommen und ihn ansprechen könnte. Fragen, ob ihm etwas fehle. Sollen wir den Arzt rufen, sie sehen so grau aus? Er würde nicht einmal die Kraft haben, zu widersprechen. Vielleicht würden sie hier sogar schnell einen Doktor ranschaffen können. Daran hatte er gar nicht gedacht. Und das Aufsehen, das es machen würde. Oh Gott.


Sie waren nach dem Essen noch einmal zum Strand gegangen, die Dämmerung setzte gerade ein, das Meer lag regungslos da, und die Sonne verwandelte den wolkenlosen Himmel in ein von Rottönen dominiertes Farbkaleidoskop. „Das Meer wird immer da sein.", sagte sie: „Mit seinem Rauschen, dem Sand, und den kleinen Spinnen, die nach ihrer eigenen inneren Melodie darüber laufen und nach Nahrung suchen.“ Sie hatte ihre hellblaue Strickjacke über ihr schwarzes Samtkleid gezogen und schaute ihn an. Ein Jahr. Fast ein Jahr war das her, die letzte gute Zeit, die sie hatten, bevor es bei ihr immer schlimmer wurde und am Ende alles in geistiger Umnachtung endete.


Er blickt nach oben. Wolkenlos ist es heute nicht. Er schaut wieder nach unten und hat plötzlich das Gefühl, das Gleichgewicht zu verlieren. Viel länger kann er nicht mehr. Er setzt sich in den Sand, breitet das Handtuch aus und zieht Hose und Hemd aus. ‚Lass mich hochkommen, lass mich jetzt nicht umfallen, wenn ich aufstehen will.’ Er nimmt den letzten Rest Energie zusammen und erhebt sich. Schwarze Punkte tanzen vor seinen Augen. Japsend saugt er Luft ein und geht in Richtung Meer. Er hat es fast geschafft. Als das Wasser um ihn ist, spürt er doch Angst. Er weiß nicht, ob er es schaffen wird, sich einfach gehen zu lassen. ‚Denk einfach nicht daran. Denk an Kurt. Denk daran, wie er mit acht Jahren hinter dem Haus Fußball gespielt hat, oder wie Mutter Stachelbeeren im Garten pflückte, oder wie der Himmel aussah, wenn du in der Abenddämmerung geflogen bist, lass los, dreh dich auf den Rücken und schau dir die Wolken an, schau welche Tiere sie sind und such dir das aus, was du sein willst, Junge, sei ganz ruhig, keine Angst, Energie vergeht nie, begreif das endlich.’
Er dreht sich auf den Rücken und fragt: „Wird auch ein Adler dabei sein?“, doch die Stimme antwortet nicht mehr. Da ist ein Esel, da ein Löwe, und das sieht nach einem Baum aus, die Wolke hat den Schnabel eines Pelikans, aber wo ist der Adler? Er kann ihn nicht finden und dann ist der Himmel weg und es rauscht in den Ohren, Wasser in Nase und Mund und nun zappelt und schreit und wehrt sich doch alles in ihm und beginnt aus den Fugen zu laufen und

wer hat sich nur Musik ausgedacht? wenn nur jemand wüsste, dass...

da ist der verwunderte Gedanke, mit welcher stolzen

hörst du mich nicht Vater? Kannst du denn nicht mal diesem Ding...

Leidenschaft sich der Körper

die Hülle, die Hülle, mein Sohn (du Dummerchen)

doch noch gegen das Abtreten

so klein, mein Sohn, siehst du es nicht?

wehrt.

Und endlich sieht er den Adler.

Copyright © by Denny Hellbach