Michel Houellebecq"Ausweitung der Kampfzone"

Endlich mal wieder ein Buch, welches man in ein paar Stunden durchbolzen kann und das einen wie ein Schlag in die Magengrube trifft. Von den Schwingungen hat es Parallelen zu „American Psycho“, ohne die überzeichnete Darstellung von Gewalt zu benutzen, um zum Punkt der Story zu kommen. Trocken wird über die völlige geistige Vereinsamung eines Angestellten einer Softwarefirma geschrieben, der Blick auf die Menschen ist gnadenlos offen und dadurch gleichzeitig mitleidig, der Humor ist teilweise ätzender als selbst Bukowski in seinen großen Momenten. Du wirst geboren und stehst am Rande einer unendlich großen Ebene, die grau ist bis zum Horizont. Mach deinen ersten Schritt Wanderer.

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Arthur Schopenhauer "Die Welt als Wille und Vorstellung"

"He was the first to speak of the suffering of the world, which visibly and glaringly surrounds us, and of confusion, passion, evil -- all those things which the other philosophers hardly seemed to notice and always tried to resolve into all-embracing harmony and comprehensiblility. Here at last was a philosopher who had the courage to see that all was not for the best in the fundaments of the universe."
Carl Gustav Jung

„Die Welt als Wille und Vorstellung“ ist Arthur Schopenhauers Hauptwerk. Schopenhauer ist dreißig Jahre alt, als der erste Band 1818/19 erscheint. 1844 veröffentlicht er den zweiten Band, 1859 erscheint die dritte verbesserte und beträchtlich vermehrte Auflage. Schopenhauers Lehre ist vor dem Hintergrund der Aufklärung zu verstehen. Die Aufklärungsphilosophen sahen den Menschen als einen durch Aberglauben und Autoritätshörigkeit verdorbenes Vernunftwesen. Sie wollten ihn anleiten, seine Vernunft frei und selbstständig zu gebrauchen. Dann werde, so hofften sie, ein menschenwürdiges, glückliches Zusammenleben in der Gesellschaft möglich. Höhepunkt der Aufklärungsphilosophie in Deutschland ist das Werk von Immanuel Kant, der in seiner Kritik der reinen Vernunft (1781) das Erkenntnisvermögen untersucht: Erkenntnis komme durch ein kompliziertes Zusammenspiel von Anschauung und Begriffen zustande. Ihm haben wir die Erkenntnis zu verdanken, dass der Mensch die Dinge nicht erkennt, wie sie an sich sind, sondern wie sie ihm aufgrund der Beschaffenheit seines Erkenntnisvermögens erscheinen. Schopenhauer greift die Gedanken von Kant auf und vereinfacht sie zu der Formel: „Die Welt ist meine Vorstellung." Sagt der Mensch „die Welt", so spricht er von einem Bild, das er sich unbewusst selbst gemacht hat. „Die Welt ist meine Vorstellung: - dies ist eine Wahrheit, welche in Beziehung auf jedes lebende und erkennende Wesen gilt; wiewohl der Mensch allein sie in das reflektirte abstrakte Bewusstsein bringen kann: und thut er dies wirklich; so ist die philosophische Besonnenheit bei ihm eingetreten. Es wird ihm dann deutlich und gewiß, dass er keine Sonne kennt und keine Erde; sondern immer nur ein Auge, das eine Sonne sieht, eine Hand, die eine Erde fühlt; dass die Welt, welche ihn umgiebt, nur als Vorstellung da ist, d.h. durchweg nur in Beziehung auf ein Anderes, das Vorstellende, welches er selbst ist.“

Schopenhauer weiß, dass die Erkenntnis der „Welt als Vorstellung“ nur eine Seite der Medaille ist. Er ergänzt sie durch eine Wahrheit, die nach seiner Auffassung „...sehr ernst und Jedem, wo nicht furchtbar, doch bedenklich seyn muß“: „Die Welt ist mein Wille.“ Schopenhauer charakterisiert den Willen als sinnfreien Lebenstrieb, einem destruktiven Selbstlauf, der in seiner Gier nach ständig Neuem endlos das Gleiche wiederholt, ohne dass er aus der heillosen Dynamik dieser Rotation ausscheren oder diese abstellen kann. Der Mensch ist - wie alle andere Materie - sklavisch diesem sinnfreien Lebenstrieb unterworfen. Für Schopenhauer ist somit nicht der Intellekt und die Vernunft die primäre Antriebsfeder, sondern der Wille, der als ein end- und rastlos vorwärtsgetriebenes Grundgeschehen durch die Ewigkeit stampft. Dieses alle Erscheinungen durchwaltende Grundgeschehen birgt in seiner Tiefe eine selbstzerstörerische Eigendynamik, deren zwanghafter Charakter in dem Willensdrang nach immer Neuem hervortritt. Mit dieser philosophischen Erkenntnis wiederspricht Schopenhauer dem aufklärerischen Glauben an das Vernunftwesen Mensch und dem Fortschritt in der Geschichte, auf den so viele Philosophen ihre Theorien aufbauen. (Hegel, Marx...)

Schopenhauer gibt die Autonomie des Intellekts jedoch nicht vollständig preis. Es ist möglich, dass sich der Intellekt vorübergehend aus der Sklaverei des Willens befreit. Wenn dies gelingt, kommt eine reine Erkenntnis zustande, die das Wesentliche und Bleibende aller Erscheinungen erfasst. Die Kunst ist eine von drei „Entlastungsmöglichkeiten“. Ihr räumt Schopenhauer eine Sonderstellung gegenüber sämtlicher Wissenschaft und Philosophie ein: Während die Kunst rein ist, bleiben diese der unreinen Erkenntnis verhaftet und gebrauchen Begriffe - bloße Abbilder des Bildes von der Welt. Drei Momente - das Sich-Losreißen, das Aufgehen und das Sich-Selbstvergessen - sind die zentralen Bestimmungen der Kunst. Schopenhauer traut ihr zu, den „Strom des Weltlaufs", die „Zuchthausarbeit des Wollens", das „Rad der Zeit" im Vollzug der Anschauung anzuhalten.

Doch nicht nur in der Kunst kann sich der Mensch zeitweise über seine Triebhaftigkeit erheben, sondern auch im Handeln aus Mitleid, das Schopenhauer als Fundament aller Moral betrachtet. Wer Mitleid empfindet, begegnet „in allen Wesen sich, seinem innersten und wahren Selbst". „Wenn nämlich vor den Augen eines Menschen jener Schleier der Maja, das principium individuationis, so sehr gelüftet ist, daß derselbe nicht mehr den egoistischen Unterschied zwischen seiner Person und der fremden macht..., dann folgt von selbst, daß ein solcher Mensch, der in allen Wesen sich, sein innerstes und wahres Selbst erkennt, auch die endlosen Leiden alles Lebenden als die seinen betrachten und so den Schmerz der ganzen Welt zueigen muß...Er erkennt das Ganze, faßt das Wesen desselben auf und findet es in einem steten Vergehn, nichtigem Streben, innerm Widerstreit und beständigem Leiden begriffen, sieht, wohin er auch blickt, die leidende Menschheit und die leidende Thierheit, und eine hinschwindende Welt."
Eine dauerhafte Erlösung vom Willen ist aber nur durch eine bewusste Verneinung - durch die Entscheidung für Entsagung und Askese möglich. Besonders hier wird die Nähe von Schopenhauers Lehre zum Buddhismus am deutlichsten. Freiheit ist für Schopenhauer nicht die Freiheit des Selbstanfangenkönnens; sie bezeugt sich vielmehr im Neinsagen zum alles bedingenden Willengeschehen.

Schopenhauer ist für einen Künstler eine Quelle des inneren Erkennens, da er mehr als jeder andere Philosoph die Fähigkeit hat, über alle wissenschaftlichen Begrenzungen hinaus Wahrheiten über diese oft merkwürdige und rätselhafte Existenz auszusprechen. Ihm wird eine pessimistische Lebensphilosophie vorgeworfen, doch es gibt keinen Schriftsteller, der mich durch seine, den Kern treffenden Wahrheiten so zum Lachen gebracht hat. Ich kenne niemanden, der das Wesen der Musik, die Kunst des Schreibens, den Geschlechtstrieb oder das Metaphysische Bedürfnis des Menschen besser beschrieben hat. Nietzsche wird oft als der große Philosoph des 19. Jahrhunderts bezeichnet, doch gegen Schopenhauer wirkt er trotz aller Sprach- und Bildergewalt wie ein quengelnder Junge, der aufgrund mangelnder Erkenntnis Schopenhauers Lehre missversteht und den Willen zum Leben bejaht. Eine Verneinung des Willens ist für die Allerwenigstens möglich, doch Schopenhauer zeigt uns in seinen Schriften die Tür, durch die er auch selbst niemals gehen konnte.

„Aus der Nacht der Bewußtlosigkeit zum Leben erwacht findet der Wille sich als Individuum, in einer end- und gränzenlosen Welt, unter zahllosen Individuen, alle strebend, leidend, irrend; und wie durch einen bangen Traum eilt er zurück zur alten Bewusstlosigkeit.“


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Malcolm Lowry "Unter dem Vulkan"

Geoffrey Firmin ist englischer Konsul in einem mexikanischen Nirgendwo namens Quauhnahuac. Alkoholabhängig weit jenseits jeder Grenze, begleiten wir ihn an dem Tag, an dem seine geschiedene Frau zurückkommt, um es noch einmal mit ihm zu versuchen...
"Unter dem Vulkan" ist ein zwölfstündiger Alptraum einer verlöschenden Trinkerexistenz, verstörend, verwirrend, aussichtslos. "Was nutzt der Wille, wenn man keinen Glauben hat?", lässt Lowry seinen Helden fragen und es bleibt einem nichts anderes, als grimmig zu nicken und ihm in seine Hölle zu folgen. Es gibt keinen Weg aus der Verdammnis, der Sinn liegt in der Tragödie, dem Scheitern, der Rechnung, die immer bezahlt werden muss. Das sich der Autor im ersten Kapitel des Romans einen hoffnungsvollen Ausblick auf Geoffreys Halbbruder Hugh leistet, wirkt am Ende des Buches fast mitleiderregend.

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Stephen King/Peter Straub "Das schwarze Haus"

King hat in den letzten Jahren einiges an Verve eingebüßt. Vielleicht liegt es an der überstandenen Drogen- und Alkoholabhängigkeit, dass es kaum mehr überraschende Wendungen in seinen immer noch dicken Büchern gibt, die Stories sind vorhersehbar, die Personen nicht mehr so vielschichtig. Oft habe ich den Eindruck, der Meister bewegt sich auf ausgetretenen Faden, stellt auf Autopilot und lässt sein überaus großes handwerkliches Geschick die Arbeit machen. Für "Das schwarze Haus" hat er sich den alten Schreibgefährten Peter Straub ins Boot geholt, doch ehrlich gesagt konnte ich kaum Unterschiede zu einem Standart-King feststellen. Da ist der Kinder (Kinner) essende Kannibale, der strahlende Held Jack Sawyer (aus "Der Talisman"), dessen blinder Freund, der DJ Henry Leyden (fast eine 1:1 Kopie von Richie "Vierauge" Tozier aus dem Klassiker "Es" ), die hilflose Polizei, eine Motorradgang... Alles wird routiniert miteinander verknüpft und natürlich gibt es am Ende die Konfrontation eines Ka-Tet aus Gutmenschen gegen die Mächte der Finsternis. (Hier einer der Untermufties des Scharlachroten Königs). 
Für die Dark Tower"-Fangemeinde ist das Buch trotz seiner Vorhersehbarkeiten ein Muss, da die Rahmengeschichte um den Dunklen Turm weiter erzählt wird und man einen guten Einblick in die Struktur der Balken und über das Funktionieren der sogenannten Brecher bekommt. Die Bühne für die letzten drei Akte ist jetzt fertig und es wird langsam Zeit, dass horse de combat Roland und seine Boys (und Girls) wieder auftauchen. Ich hoffe bloß, dass King nach den sehr guten Teilen "Schwarz", "Drei" und "Tot" (wer hat sich eigentlich diese dämlichen deutschen Titel ausgedacht?) und dem schwachen "Glas" wieder das hohe Anfangsniveau erreicht. Wird Zeit, dass "Wolfsmond" langsam erscheint. Thankee sai.

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Ernest Hemingway „Tod am Nachmittag"

In der Literatur geht es um zwei Dinge: Liebe und Tod. Ernest Hemingway ging es - in fast allem was er schrieb - nur um den Tod. Ob im Krieg, beim Hochseefischen oder auf Safari, Hem studierte ihn in all seinen Facetten, bereitete sich auf ihn vor. In „Tod am Nachmittag“ glänzt er mit seinem journalistischen Talent, beschreibt und analysiert so präzise die Tragödie des Stierkampfes, dass er uns einen Einblick in die wirklichen Motive dieser Auseinandersetzung zwischen Mensch und Tier gibt. Hemingway weiß, dass wir in einer Welt leben, in der Lebewesen nur existieren können, indem sie andere vernichten. Der Stierkampf symbolisiert diese unvermeidliche Tragödie (den Tod), zeigt aber auch, dass bei einer nach den Regeln ablaufenden Corrida beide Seiten gleiche Chancen haben, die Auseinandersetzung für sich zu entscheiden. Natürlich ist es klar, dass das ein Großteil der abendländischen McDonalds-Fresser nicht versteht, dem Torero lieber hämisch den Tod wünscht, aber trotzdem das Steak beim Argentinier genießt. Wer glaubt, dass eines schönen Tages der Tiger friedlich neben dem Lamm auf der grünen Wiese liegt, dem fehlt die simple Erkenntnis der Tragödie seiner Existenz, die Hemingway hier auf das Eindrucksvollste deutlich macht.

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Robert Charles Owen „Mücks Nachtmeer“

Bruchpilot und Lebenskünstler Anton Mück verliebt sich in Amelie, die Frau seines alten Freundes Kay und es will ihm nicht in den Kopf, dass Amelie so gar nichts für ihn empfindet. Mück bleibt Luft für sie - bis er Amelie eines schönen Herbsttages einfach entführt. Das ist die Ausgangsposition in „Mücks Nachtmeer“, dem Debütroman von Robert Charles Owen.

Die Geschichte ist spannend und trotz der abstrusen Situationen und Konstellationen glaubwürdig, der Schreibstil ist witzig, pointiert und auf höchstem Niveau. Die bis jetzt vorherrschende Ignoranz der breiten Masse gegenüber dem Buch zeigt wieder einmal, dass es für einen Bucherfolg wichtiger ist, ein gute PR-Kampagne zu fahren und die richtigen Leute zu kennen, als „einfach“ nur ein gutes Buch zu schreiben. Doch Hoffnung besteht, denn der Fischerverlag bringt im Herbst dieses Jahres die Taschenbuchausgabe heraus. Vielleicht wird „Mücks Nachtmeer“ ein Bahnhofsbuchhandlungshit und bekommt die Anerkennung, die es verdient.

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Wladimir Kaminer „Militärmusik“

Wladimir Kaminers Erzählband „Schönhauser Allee“ wirkte auf mich wie mit der heißen Nadel zusammengestrickt, deswegen sah ich dem Hype um den russischen Autor mit etwas Skepsis entgegen. Doch „Militärmusik“ ist ein witziges und unterhaltsames Buch, dass uns einen Einblick in den ganzen normalen Wahnsinn des Lebens im Sowjetischen Alltag gibt, in den Kaminer 1967 hineingeboren wird. Von klein an tut er sein Bestes, den Alltag in ein Abenteuer zu verwandeln und der grauen Wirklichkeit zu entfliehen. Mit Witz und Charme und einer gehörigen Portion Schlitzohrigkeit mogelt er sich durch das Leben, ob in der Schule, im Pionierlager, als Theaterpraktikant oder Parkwächter. Kaminers Schreibstil ist locker und einfach und hat nichts mit dem Stil der russischen Schwergewichte a la Tolstoi oder Dostojewski gemeinsam. Er erreicht zwar auch nicht die Tiefe dieser Herren, aber es kann ja nicht von jedem russischen Autor ein Buch wie „Schuld und Sühne“ verlangt werden. Empfehlenswert!

 

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Thomas Brussig „Wasserfarben“

Bevor Thomas Brussig mit „Helden wie wir“ berühmt wurde, schrieb er den Roman „Wasserfarben.“ Noch zu DDR-Zeiten begonnen und unter dem Synonym Cordt Berneburger veröffentlicht, beschreibt er die Erlebnisse des EOS-Schülers Anton Glienicke. Anton ist auf der Suche nach seinem Platz in der DDR-Gesellschaft. Er findet ihn nicht. Ihn treibt aber nicht der Wille zum oppositionellen Handeln an, sondern das Unbehagen, sich der (Schafs-)Herde anzuschließen und das zu werden, was alle von ihm erwarten. Brussig beschreibt die Erlebnisse des Helden mit feiner Beobachtungsgabe, kunstvoll schlicht, ohne Knalleffekte und ohne die Borniertheit mancher moderner Popliteraten. „Wasserfarben“ gefällt mir von seinen Büchern am besten. Liegt wahrscheinlich daran, dass Anton Glienicke aus Berlin und Christian Bertram vom Stadtrand eine gewisse Seelenverwandtschaft haben.

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Charles Bukowski „Fast eine Jugend“

Es gibt Bücher, die Klasse sind und es gibt Bücher, die in dich hineinkrachen wie ein Blitz in einen Baum. Danach ist nichts mehr wie vorher. Mancher hat das Gefühl beim „Steppenwolf“ oder bei „American Psycho“. Ich hatte es bei „Fast eine Jugend“. Lakonisch beschreibt Bukowski seine Jugend im Los Angeles der 20er und 30er Jahre. Er ist der Deutsche, der Außenseiter, der von seinem Vater wegen der geringsten Kleinigkeit verprügelt, von Pickeln körperlich und seelisch gepeinigt und von den Mitschülern und den Girls verachtet wird. Nur im beginnenden Alkoholkonsum findet er Stunden der Zufriedenheit.

Bukowski schreibt in einer einfachen, witzigen und vulgären Sprache, die sich weit ab von jedem Deutsch-Abiturleistungskurs und jeder Literaturstudentendichterlesung bewegt. Ein sprachlicher Befreiungsschlag und ein Ausgangspunkt und Wegweiser für diejenigen, die ihre eigene Sprache suchen.

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Fjodor M. Dostojewski „Die Brüder Karamasow“

Dostojewskis Alterswerk - ich bin ein bisschen stolz, es geschafft zu haben, denn in der von mir gekauften Ausgabe hat das Buch zwar „nur“ 765 Seiten, aber dafür 8er Schrift und Tonnen von Rechtschreibfehlern. Zum Inhalt: Die Handlung ist zwar komplex, man verliert aber zu keinem Zeitpunkt den Faden der Geschichte. Sie besteht aus einer Kriminalgeschichte (Mord am Vater Karamasow), einem Justizirrtum (der älteste Sohn wird verdächtigt), aus einer Familiensaga (drei Brüder, Aljoscha, Iwan und Dmitry, die in ihren Charakteren unterschiedlicher nicht sein könnten), aus komplizierten Vier- bis Fünfecks-Liebesverhältnissen und der kompletten Liste menschlicher Leidenschaften: Intrigen, Betrug, Frömmigkeit, Liebe, Neid, Geiz, Leidenschaft, Verbrechen, Maßlosigkeit. Alles ist drin. Wem das alles zu viel ist, der sollte wenigstens folgende Abschnitte gelesen haben: „Die Empörung“ und der „Der Großinquisitor“ (Viertes und fünftes Kapitel des Fünften Buches „Für und wider“). Der Dialog über die Existenz Gottes und Seiner Funktion und Position den Menschen gegenüber, geführt von Aljoscha und Iwan, ist das beste Stück Literatur, dass ich bis jetzt gelesen habe.  

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Erwin Strittmatter: Der Laden

"...Es ist die Musik des Augenblicks, in dem ich lebe, des Augenblicks, in dem ich nicht mehr dort bin, wo ich herkomme, und noch nicht dort bin, wo ich hingehe..."

Es ist schwerer diese Trilogie zu beschreiben, als sie zu lesen. Für die einen ist es ein Buch mit lustigen Anekdoten aus dem Dorfleben, für andere Strittmatters gediegenes Alterswerk. Doch für den Teil der Leute, die den Esau Matt in sich herumtragen, geht es noch ein Stück tiefer... Große, ganz große deutsche Literatur, erdig, tiefsinnig, schmerz- und humorvoll - jenseits aller Modeströmungen. Der "Loaden" wird noch in 200 Jahren gelesen werden.

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Knut Hamsun: Hunger

"...Abermals hielt ich an der Türe an und kehrte um. Dieses strahlende Gefühl, nun obenauf zu sein, entzückte mich und machte mich dankbar gegen Gott und die ganze Welt, und ich kniete beim Bett nieder und dankte Gott mit lauter Stimme für seine Güte gegen mich an diesem Morgen. Ich wusste es, oh, ich wusste es, dass der Rausch der Inspiration, den ich eben durchlebt und niedergeschrieben hatte, eines wunderbaren Himmels Tat an meinem Geiste war, eine Antwort auf meinen Notruf von gestern. Das ist Gott! Das ist Gott! rief ich mir zu, und ich weinte vor Beigeisterung über meine eigenen Worte..."

Ein Mann will Schriftsteller werden. Mühsam ernährt er sich von kleinen Artikeln für Zeitungen. Der Hunger verstärkt und trübt die geistigen Fähigkeiten. Durch den ständigen Essensmangel am Rande des Wahnsinns lebend, geplagt von Halluzinationen und Zwangsvorstellungen irrt der Protagonist in Hamsuns Debütroman durch die Stadt Kristiania. Ein Buch wie flüssiges Granit.

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